Das 1×1 der modernen Rahmengeometrien

Das 1×1 der modernen Rahmengeometrien

Reach, Stack, BB Height. Ihr versteht bei diesen Begriffen nur Bahnhof? Dann seid ihr hier genau richtig! Egal ob Weinliebhaber, Zocker oder wir Radfahrer – Jede Szene flüchtet sich in seine ganz eigene Welt der wirren Begriffe. Was damit ausgesagt werden soll ist im Grunde jedoch ganz einfach und gleichermaßen elementar. Wir klären auf, was sich hinter den verschiedenen Begriffen verbirgt und wie ihr mit diesem Wissen ein Bike findet, dass genau zu euch passt.

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Wohl kaum ein Bauteil an einem Rad lässt einen derart gravierenden Wandel erkennen, als das wichtigste überhaupt: Der Rahmen! Was damals total angesagt war und über Downhill-Tracks gejagt wurde, sorgt heute höchstens für ein müdes lächeln. Bis auf ein paar Ausreißer hat sich die Geometrie der modernen Bikes je nach Einsatzbereich jedoch einigermaßen eingependelt. So werden lediglich einzelne Stellschrauben gezogen, um die Fahreigenschaften weiter zu optimieren. Zu wissen, welche Stellschraube dabei welche Auswirkungen auf das Fahrverhalten hat, lässt euch nicht nur mitreden, sondern ermöglicht euch vor allem das perfekte Rad für euch zu finden. Also labern wir nicht groß rum und fangen an!

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Reach

Wer sich vermehrt im Internet oder in Szene-Magazinen mit dem Thema Fahrrad beschäftigt, dem wird dieser Begriff wohl häufig aufgefallen sein. Der Grund: Der Reach ist ein wesentliches Indiz über das Fahrverhalten eines Bikes und entscheidet im wesentlichen auch darüber, ob ihr euch auf dem Rad in Abfahrtsposition wohl fühlt oder nicht. Gemeint ist hier der Horizontalabstand ab Mitte des Tretlagers bis zur Mitte des Steuerrohrs. Grundsätzlich gilt: Je länger der Reach, desto laufruhiger wird das Rad. Ein kurzer Reach verleiht einem Bike mehr Agilität und damit eine gewisse “Verspieltheit” durch ein direkteres Handling. Je nachdem wie ambitioniert sich die Entwickler der Länge des Reaches angenommen haben, fühlt ihr euch möglicherweise zu gestaucht oder zu gestreckt auf einem Bike. Entgegenwirken könnt ihr in solch einem Fall entweder mit einem längeren Vorbau oder mit sogenannten Spacern, die den Abstand zwischen Vorbau und Rahmen vergrößern und somit die Länge des Reach verringern.

Lenkwinkel (A)

Der entscheidende Faktor wenn es um das Lenkverhalten eines Bikes geht. Wie unterschiedlich der Lenkwinkel von Rad zu Rad ausfallen kann, erkennt man wenn man beispielsweise reinrassige Downhiller mit anderen Bikes vergleicht. Die Lenkwinkel der Downhill-Bikes sind mit teilweise unter 65° deutlich flacher. Grund dazu liegt in dem Grundsatz: Je flacher der Lenkwinkel desto laufruhiger wird das Rad. Perfekt also für waghalsige und schnelle Abfahrten. Allerdings muss man dadurch Einbußen in Punkto Klettereigenschaften hinnehmen. Zudem kann das Rad mit sinkendem Lenkwinkel sehr viel träger wirken. Moderne Enduros bedienen sich daher mit ca 66° einem gesunden Mittelmaß, um solide Klettereigenschaften und mit einer abfahrtsorientierten Geometrie zu vereinen.

Kettenstrebenlänge (G)

Die Kettenstrebenlänge (auch Chainstay length genannt) trägt zusammen mit dem Reach und dem Lenkwinkel dazu bei, welche Charakteristik ein Bike besitzen soll. Auf Speed getrimmte Bikes haben dabei eine längere Kettenstrebe als agilere Räder mit kurzen Kettenstreben (um 425 mm).

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Ein verspieltes Handling kommt euch vor allem in Kurven zu Gute.

Radstand (H)

Der Radstand wird von der Mitte der beiden Radachsen gemessen und gibt so die Länge des gesamten Bikes an. Wie auch beim Reach gilt hier der Grundsatz: Je größer der Radstand desto laufruhiger, je kürzer der Radstand desto agiler das Handling. Wesentlichen Einfluss auf die Länge des Radstandes haben die oben genannten Faktoren Reach, Kettenstrebenlänge und Lenkwinkel.

Stack

Der sogenannte Stack misst die Höhe zwischen Tretlagermitte und Steuerrohr und gibt damit Aufschluss über die Lage des Schwerpunktes. Wie auch bei der Tretlagerhöhe steigt die Agilität bei sinkendem Tiefpunkt.

BB Height (E)

Hört sich ziemlich funky an, gemeint ist hier jedoch lediglich die Höhe des Tretlagers. Weitaus cooler klingen jedoch Begriffe wie Buttom Bracket Height (BB Height) oder BB Dropdown. Die Höhe des Tretlagers entscheidet nicht nur darüber, ob ihr häufiger an fiesen Steinen und Wurzeln aufsetzt, sondern in erster Linie wo euer Schwerpunkt liegt. Demnach gewinnt das Rad an Agilität, je tiefer das Tretlager liegt. Damit einhergehend steigt jedoch das Risiko mit der Kurbel beim Pedalerien gefährlich nahe zu kommen und fiese Schrammen einzufangen.

Sitzwinkel (B)

Die Wirkung des Sitzwinkels liegt auf der Hand: Je steiler der Sitzwinkel, desto näher rückt der Fahrer in Richtung des Cockpits. Im Umkehrschluss bedeutet dies vor allem mehr Druck auf dem Vorderrad, was wiederum Vorteile auf steilen Anstiegen bietet.

Welche Geometrie eignet sich für mich am besten?

Länger, flacher, schneller! Damit werden viele Bikes heutzutage angepriesen. Doch ist so eine Geometrie überhaupt für mich geeignet? Und in welchem Terrain will ich überhaupt mit dem Rad fahren? Steht ihr vor einem Neukauf oder wollt euer aktuelles Bike modifizieren, solltet ihr euch Fragen wie diese stellen. Schließlich ist es letztendlich die Geometrie des Rahmens die darüber entscheidet, wie viel Fun ihr damit auf dem Trail habt. Weiterhin ist eine unpassende Geometrie nicht selten Ursache für unangenehme Schmerzen und andere Beschwerden, die eure Freude am Radfahren rauben. Geht also nochmals die oben beschrieben Faktoren durch und gleicht diese gedanklich mit eurer Fahrweise und eurem präferierten Einsatzzweck ab. Sucht ihr beispielsweise ein Bike, dass sowohl Alpentouren als auch Bikeparks meistert, dann seid ihr mit einer ausgewogenen Enduro-Geometrie gut beraten. Wer dagegen ambitionierter gegen die Zeit fährt, der sollte zu einer Geometrie greifen, die Spurtreue bietet und Speed generiert.

Doch es muss nicht immer gleich ein ganz neues Gefährt sein. Auch mit wenig Geld und Aufwand könnt ihr Einfluss auf die Geometrie eures aktuellen Bikes nehmen. Hier ein paar Beispiele, was für Möglichkeiten euch dazu zur Verfügung stehen:

  • Vorbau: Mit unterschiedlich langen Vorbaulängen könnt ihr zu langen oder zu kurzen Oberrohrlängen sehr effektiv entgegenwirken.

vorbau

  • Spacer: Beeinflusst, wie viel Druck ihr auf das Vorderrad bringt. Wenn ihr das Gefühl habt, das Vorderrad hebt sich zu schnell (beispielsweise an steileren Anstiegen), dann solltet ihr Spacer entfernen. Zusätzliche Spacer erzeugen den gegenteiligen Effekt.

spacer

  • Angle-Set: Durch ein Angle-Set könnt ihr Einfluss auf den Lenkwinkel nehmen.
  • Flip-Chips: Immer mehr Hersteller setzten auf die einfache Geometrieverstellung via Flip-Chips. Dabei wird häufig eine kleinere Metallplatte (Chip), die sich am Hinterbau befindet, gelöst und gedreht wieder montiert. Dies kann die Charakteristik eines Bikes komplett verändern, da sich neben Lenkwinkel und Tretlagerhöhe nahezu alle weiteren Faktoren verändern.

flip-chip

Jetzt mal Hand aufs Herz, schwer ist die ganze Thematik nicht oder? Und wer Ursache und Wirkung kennt, weiß die Vorteile für seinen eigenen Fahrstil effektiv zu nutzen. Zudem ist die Geometrie mit der ihr momentan unterwegs sein mögt nicht in Stein gemeißelt. Verschiedene Hilfsmittel und Anbauteile können bei scheinbar geringer Veränderung von wenigen Millimetern ungeahnt viel bewirken und euch noch mehr Spaß bereiten.

Autor: Pascal Fessler    Bilder: Pascal Fessler, EVIL Bikes Co.

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2 Gedanken zu „Das 1×1 der modernen Rahmengeometrien

  1. super 🙂

    1. Freut mich, dass es dir gefallen hat! 🙂

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